Am 23.9.25 reichte Nationalrätin Fehr Düsel eine Motion ein, die harsche Restriktionen für Eingriffe und Pubertätsblocker fordert. Community, Fachpersonen und Verbündete haben kein Verständnis für die Instrumentalisierung der Gesundheitsversorgung. Bereits im Juli kamen in kürzester Zeit 15’000 Unterschriften und ein Bündnis von über 40 Organisationen zusammen, die sich gegen diese Willkür und Diskriminierung aussprachen.


Grünes Licht von der Nationalen Ethikkommission im Herbst 2024, keinerlei Belege für systemische oder auch nur anekdotische Mängel und Fallzahlen im ein- bis tiefen zweistelligen Bereich:
Dennoch soll ein Gesetz auf Bundesebene den Zugang zu adäquater Gesundheitsversorgung für trans Jugendliche weiter erschweren.
«Basierend auf meiner über 50-jährigen Beschäftigung mit trans Personen halte ich die geplanten Verbote für absolut unzulässig und gefährdend für die Gesundheit von trans Jugendlichen. Erwachsene trans Personen schildern das Erleben der Pubertät mit den körperlichen Veränderungen als die schlimmste Zeit in ihrem Leben.»
(Prof. em. Udo Rauchfleisch, klinische Psychologie Universität Basel)
Relevante inhaltliche Argumente kennt die Motion keine. «Verdreifachte Fallzahlen seit 2018» sollen skandalisieren. In Zürich macht das einen «Sprung» von 0 auf 4 Fälle (2024) aus, bei denen urteilsfähige Jugendliche, meist knapp unter und um 18, nach gewissenhafter Abklärung am Oberkörper operiert wurden. Aus diesen Zahl einen Trans-Hype machen zu wollen, der Handlungsbedarf auf Gesetzesebene legitimiert, finden Vertreter:innen von Betroffenenorganisationen und Fachpersonen fragwürdig.
«Es ist absurd, dass sich der Erfolg und die Qualität einer medizinischen Behandlung daran messen soll, dass möglichst wenige Leute Hilfe erhalten. Nach Abschaffung des Sterilisationszwangs 2017 gibt es logischerweise mehr Behandlungen als vorher. In Zürich wurden die Zahlen im letzten Jahr für Jugendliche bereits um 70% gedrückt, ohne Hinweis darauf, dass dies jemandem hilft. »
(Jann Kraus, Vorstandsmitglied von Transgender Network Switzerland)
«Beim dritten Geschlechtseintrag heisst es, für eine so kleine Minderheit brauche es keine Gesetze – und jetzt wird für eine Handvoll von Behandlungen pro Jahr gleich eine Motion eingereicht.»
(Elle Bohner, Geschäftsführung HAZ queer Zürich)
Angriff auf Urteilsfähigkeit und Behandlungsfreiheit
Auch der Versuch, den Anspruch auf Behandlungen an der Stimmfähigkeit zu orientieren, überzeugt nicht.
In der Schweiz ist die individuelle Abklärung der Urteilsfähigkeit von Minderjährigen ausschlaggebend für die Zustimmung zu Behandlungen. Aufklärung und Betreuung durch medizinisches Fachpersonal verlaufen in diesem Bereich nachweislich umsichtig und umfassend.
«Die Pubertät wartet nicht bis 18. Das Stimmrechtsalter ist nicht ausschlaggebend für den Zugang zu medizinischen Behandlungen und kann kein Argument dafür sein, einer Gruppe von Personen Behandlungen pauschal zu verweigern oder den Zugang dazu signifikant zu erschweren.»
(Adrian Knecht, Co-Präsident PinkCross)
«Der Entscheid für Hormonblocker und Operationen soll in den Händen von Fachpersonen, Betroffenen und ihrem Umfeld liegen und nach rein medizinischen Kriterien erfolgen. Es braucht keine Politik dazu».
(Julia Müller, Leiterin Geschäftsstelle Zurich Pride)
Einbezug von Familien schon Praxis
Urteilsfähige Jugendliche brauchen für medizinisch indizierte Behandlungen keine Zustimmung der Sorgeberechtigten. Trotzdem werden sie bereits stark einbezogen, ganz ohne Gesetz.
«Es ist wichtig, dass Familien und Angehörige, wo auch immer möglich, bereits in den Entscheidungsprozess einbezogen werden und Zugang zu umfassender Beratung und Begleitung haben. Die Zustimmung jedoch zur Bedingung zu machen, widerspricht nicht nur der aktuellen Rechtspraxis, sondern belastet Jugendliche ohne unterstützendes Umfeld. »
(Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin Lesbenorganisation Schweiz)
Forschungsförderung ohne Zugangsregulation und Zwang
Was in der Motion als Investment in Forschung, Fürsorge und Fortschritt daherkommt, ist im Endeffekt eine diskriminierende Hürde, die trans Jugendliche gesetzlich schlechter stellen würde.
«Binäre und nicht-binäre trans Personen haben das Recht auf eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung, die sich auf medizinische Erkenntnisse und nicht auf politische Meinungen stützt. Diskriminierende Verbote führen zu psychischen und körperlichen Leiden von trans Jugendlichen» (Dr. David Garcia Nuñez, Leiter Innovations-Focus Geschlechtervarianz)
«Als Fachleute wehren wir uns gegen die geplanten Einschränkungen, weil sie die ohnehin schwierige Situation dieser vulnerablen Personen erheblich belasten würden.» |
(Miriam Wieteska-Zimmerli, Netzwerk queer, Verband Psychotherapeut:innen beider Basel)
Gäbe es ernsthafte Bedenken zur Sicherheit von Pubertätsblockern, würden diese nicht seit Jahrzehnten an frühreife Minderjährige im Alter von 7 oder 8 Jahren abgegeben, um ihnen einen geregelten Eingang in die Pubertät zu ermöglichen.
Abzulehnen sind Vorgaben bezüglich Pubertätsblocker, die:
a.) einen negativen Effekt auf deren Verfügbarkeit und Zugänglichkeit aufweisen können,
b.) sich allein auf trans Personen beschränkt,
c.) und die Zustimmung zur Teilnahme an einer Studie zur Voraussetzung für eine Behandlung macht.
Gemeinsam fordern Betroffene und Fachpersonen:
- Gesetzliche Gleichbehandlung von trans Menschen.
- Ein Nein zu verkappten Verboten unter dem Deckmantel von Forschung und Vorsicht.
- Eine Stärkung von Beratungs- und Betreuungsangebote für trans Personen und ihre Angehörigen angesichts der politischen und medialen Ausschlachtung des Themas.